Text 1 - Penelope am Webstuhl
Oh Ulixes, warum hat sich die Erinnerung an deine Frau aus deinem Gedächtnis entfernt?
Weißt du etwa nicht, wie viele Jahre und mit wie großer Sehnsucht ich dich erwartet habe? Wie glücklich ich war an jenem als, als ich erfahren hatte, dass das zehn Jahre besetze Troja endlich erobert worden war. Dann war es mir erlaubt zu hoffen, dass du schließlich innerhalb weniger Monate nach Hause zurückkehren würdest... Immer wenn gemeldet wurde, dass irgendein Schiff an der Küste von Ithaka angekommen war, glaubte ich, dass du in diesem Schiff wärest. Die Griechen, die die Schlachten überlebt hatten, kehrten ins Vaterland zurück und wurden mit großer Freude von den Ihren empfangen. Ich wartete jedoch vergeblich auf meinen Ehemann. Du bist nicht zurückgekehrt, obwohl ich sehr wohl wusste, dass du Troja schon vor fast zehn Jahren verlassen hattest. Man sagt sogar, dass du neulich an irgendeinem anderen Ort gesehen worden bist... Ich weiß nicht, ob du von einer anderen Liebe gefangen worden bist... Kein Wunder – es ist wahr, dass ich nun alt bin. Aber warum vermisst du nicht einmal deinen Sohn Telemachus und auch nicht Laertes, den alten Vater? Diese brauchen dich jedenfalls nicht weniger als deine Ehefrau!
Oh, wenn Paris Helena nicht geraubt hätte! Wenn die Anführer der Griechen nicht von Menelaus zusammengerufen worden wären, damit sie nach Asien gingen und von den Trojanern Vergeltung erböten, - wärst du zu Hause geblieben, hätten wir gemeinsam gelebt, hätten wir Telemachos gemeinsam aufwachsen gesehen – wir wären glücklich gewesen! Aber Paris hat Helena geraubt, Menelaus war allzu begierig nach Vergeltung und du bist mit den übrigen Griechen nach Asien gesegelt.
Oh, wie viele Menschen sind vor Troja getötet worden; oh, wie viele Ehefrauen, Eltern und Kinder sind durch Furcht und Schmerzen gequält worden! Aus welchem Grund? – Wegen der verletzten Ehre eines einzigen Mannes!
Text 2 - Die Feier der Penelope
Hörst du etwa nicht, dass diese Männer nun in deinem Königspalast schreien und singen? Als sie gesehen hatten, dass dein Königreich des Königs beraubt war, kamen viele, um mich, deine Ehefrau, zu heiraten, um auf diese Art und Weise selbst regieren zu können. Wenn sie wüssten, dass du zurückkämest, kämen sie nicht und wären
nicht so unverschämt. Nun aber missbrauchen sie die Gastfreundschaft, sie töten unsere Herden, sie trinken unseren Wein. Tage und Nächte feiern sie Feste. Auch wenn mir einer der Freier gefiele, ist es Aufgabe der Mutter die Herrschaft des Sohnes zu bewahren.
Daher habe ich mir eine List ausgedacht: Ich habe gesagt, ich müsse das Leichenkleid Laertes, deines Vaters, weben, sonst sei es mir nicht erlaubt zu heiraten. Tagsüber webte ich also das Kleidungsstück, aber nachts wie jetzt löste ich dies wieder auf. Ich weiß nicht, wie lange ich die Freier mit dieser List betrügen kann. Ich weiß nicht, was sie tuen, wenn sie den Betrug erfahren würden.
Ich höre, dass sich Stimmen und Schritte von Menschen nähern... Wehe mir!